Am Donnerstag war Bundestagspräsident Wolfgang Thierse zu Besuch in Freiburg. Er hielt in der Wodan-Halle eine Rede zusammen mit dem lokalen Direktkandidaten, Gernot Erler.
Der Abend begann mit Warten. Längerem Warten. Wolfgang Thierse kam etwas zu spät und widmete seine Aufmerksamkeit erst mal einem Teller Pommes Frites. Seine Anwesenheit fiel hauptsächlich durch die sprunghaft gestiegene Zahl an Security-Leuten auf.
Auch nach dem eigentlichen Beginn der Veranstaltung war Geduld gefragt – zumindest für die Leute, die wegen Wolfgang Thierse gekommen waren. Zuerst begann ein Bürgermeister mit einer Rede, dann Gernot Erler und erst dann kam endlich auch Wolfgang Thierse zu Wort.
Inhaltlich gab es keine Überraschungen. Alle verwiesen auf die bisherigen Erfolge der SPD und verkündeten noch einmal ihre Positionen zu verschiedenen Themen. Leider versuchte keiner der beiden Redner sich irgendwie vom linken Parteienspektrum abzugrenzen. Nur die Unterschiede zur Union wurden mehr als ausreichend dargelegt.
Viel interessanter war es, einmal professionelle Politiker in freier Wildbahn studieren zu können. Besonders spannend war dabei das Verhältnis zwischen Gernot Erler und Wolfgang Thierse. Letzterer stand während der Rede von Gernot Erler höchst unauffällig auf der Bühne. Der Scheinwerfer, der auf den Redner gerichtet war, erfasste Wolfgang Thierse nicht, sodass er praktisch im Schatten stand, und sämtliche Aufmerksamkeit auf den Direktkandidaten gerichtet blieb.
Dieser hingegen wirkte während der Rede von Wolfgang Thierse viel präsenter. Schon aufgrund seines höheren Körperbaus war er deutlich auffälliger. Hinzu kam, dass ihn der Scheinwerfer noch erfasste, sodass er auch beleuchtet war. Auch seine betont aufrechte Haltung mit dem leicht gehobenen Kopf – was fast schon arrogant wirkte – machte ihn wesentlich auffälliger, als Wolfgang Thierse dies in seiner passiven Zeit war.
Ebenso auffällig war, dass Gernot Erler Wolfgang Thierse demonstrativ duzte. Man könnte ihm unterstellen, dass dies rein strategisch war, um seine Nähe zu bedeutenden Menschen zu zeigen. Interessanterweise hat Wolfgang Thierse umgekehrt jede direkte Anrede geschickt vermieden.
Auch die Stilistik der beiden Redner war höchst unterschiedlich. Gernot Erler redete laut und mit viel Nachdruck. Irgendwie passte dies auch zu seinem restlichen Auftreten. Wolfgang Thierse hingegen sprach wesentlich ruhiger und leiser – fast schon zu leise für den überfüllten Saal. Dadurch wirkte er wesentlich sympathischer, natürlicher und dadurch glaubwürdiger. Dennoch merkte man beim genauen Hinhören, dass auch er rhetorische Techniken sehr bewusst einsetzt – zum Beispiel als er sich kurz versprach und sofort den Ansatz einer negativen Formulierung durch eine positive ersetzte. Leider verlor auch er am Ende durch höchst inhaltsloses Seitenhiebe auf die Linkspartei noch Sympathiepunkte.
Alles in allem war die Veranstaltung inhaltlich etwas unnötig, da wahrscheinlich alle Anwesenden die verkündeten Positionen bereits zu genüge kannten. Vermutlich war der eigentliche Zweck auch eher die Stärkung des Direktkandidaten, als der SPD im Allgemeinen. Wäre es nicht eine gute Gelegenheit gewesen, die Techniken und Strategien der Politiker einmal direkter zu erleben, wäre es wohl ein verschwendeter Abend gewesen.