Das Bundesinnenministerium hat eigentlich einen eigenen Bereich auf seiner Webseite, auf der Gesetzesentwürfe veröffentlicht werden. Den Entwurf des neuen BKA-Gesetzes (voller Titel: „Entwurf eines Gesetzes zur Abwehr von Gefahren des internationalen Terrorismus durch das Bundeskriminalamt“) sucht man dort allerdings vergebens. Es erscheint etwas seltsam, dass ausgerechnet ein Gesetzesentwurf, der die Freiheitsrechte der Bürger so direkt betrifft, so wenig publik gemacht wird.
Praktischerweise wurde netzpolitik.org eine digitale Kopie des Entwurfes zugespielt:
» Entwurf des BKA-Gesetzes vom 16. April 2008
Inzwischen gibt es auch schon einige sehr ausführliche Kommentare zu dem Entwurf, die recht lesenswert sind.
Fefe schreibt beispielsweise:
Der größte Hammer in dem Gesetzesentwurf ist aber, dass sie ernsthaft zwischen Bundestrojaner und „Quellen-TKÜ“ unterscheiden. Quellen-TKÜ ist selbstverständlich exakt das gleiche. Hier wird ein Trojaner eingebracht. Aber mit diesem argumentativen Taschenspielertrick versuchen sie, den Bundestrojaner durch die Hintertür durchzuschmuggeln. Beim Trojanereinsatz zum Skype-Abschnorcheln gibt es dann nämlich doch wieder Sachschaden als Anlaß. Oh und erinnert ihr euch an deren dreistes Rumgelüge, dass das Erstellen eines Bundestrojaners ja so aufwendig sei, der für jedes Ziel extra zurecht angepaßt werden müsse, und daher das eh keine Maßnahme sei, die man mal eben machen könnte, das braucht enormen Vorlauf, blahblah? Zuletzt wurde diese dreiste Lüge von Herr Bosbach bei „Klipp und Klar“ im RBB geäußert. Der ist ja eh schon häufiger durch kreative Realitätsauslegung aufgefallen. Und jetzt haben sie eine „Gefahr im Verzug“ Regelung dafür. Falls die Zeit zu knapp ist, um einen Richter zu befragen.[…]
Damit überführen sie sich selbst der Lüge. Ist das nicht toll? So einfach kann das gehen. Erst lügen sie uns ins Gesicht, dann glauben sie, wenn das Gesetz nicht öffentlich gemacht wird, bevor es zu spät ist, dann könnten sie da Tatsachen schaffen.
(auch der restliche Kommentar von Fefe ist sehr lesenswert)
Auch Sueddeutsche.de findet den Entwurf kritisch:
Das BKA-Gesetz der Regierung erlaubt Geheimkameras auch dort, wo Menschen leben, die mit potentiell Verdächtigen zu tun haben: Also ein Spähangriff auf Anwälte, Ärzte und Journalisten! Warum das neue Gesetz ein einziges Gestrüpp ist, in dem Grund- und Bürgerrrechte hängenbleiben.
Schon der Tatbestand der Bildung und der Mitgliedschaft in einer terroristischen Vereinigung ist sehr weit. Aber er wird nun noch einmal extrem ausgeweitet: Schon gegen die Vorbereitung eines solchen Gefährdungsdeliktes soll mit Wanzen und Spähkameras operiert werden können – also in einem Stadium, in dem sich Gefährdungen erst im Kopf von potentiellen Gefährdern befinden. Das heißt: Denken ist künftig gefährlich. Jeder ist verdächtig.
Das geplante Gesetz ist nicht nur rechtsstaatlich bedenklich, es ist auch (bewusst?) schlampig
Das geplante BKA-Gesetz ist ein einziges Gestrüpp – in dem sich
Grund- und Bürgerrechte verfangen. Es ist ein BKA-Allmacht-Gesetz. Deshalb steht schon auf dem Vorblatt des Gesetzentwurfs, dass 130 neue Stellen eingerichtet und für 23,6 Millionen Euro neue Techniken installiert werden müssen. Die Kosten des neuen Gesetzes für den Rechtsstaat sind noch viel, viel größer. Sie sind nicht so leicht zu beziffern. Sie können unermesslich sein.
Mit den Kosten spricht die Süddeutsche auch einen weiteren interessanten Punkt an. Im Vorblatt des Gesetzentwurfs steht:
In den Folgejahren fallen laufende Kosten (Sach- und Personalkosten) in Höhe von jährlich 10,0 Mio. Euro an.
Doch nicht nur der Staat (und damit wir Steuerzahler) muss für diese Einschränkung der Freiheitsrechte zahlen, auch Wirtschaft und Bürger werden durch Bürokratiekosten belastet:
Es entstehen für die Wirtschaft, die Bürgerinnen und Bürger und die Verwaltung neuen Bürokratiekosten.
Auch eine nette Zusammenfassung von daten-speicherung.de
Das Bundeskriminalamt soll erstmals die Erlaubnis erhalten, selbst exekutivisch tätig zu werden. Erlaubt werden sollen Videoüberwachung innerhalb von Wohnungen, die Überwachung von Computern, Rasterfahndung, der große Lauschangriff und Telefonüberwachung. Zur Online-Durchsuchung will der Bundesinnenminister dem Bundeskriminalamt erlauben, sich online in private Computer einzuhacken und Daten abzugleichen. Das BKA soll zudem personenbezogene Daten auch aus den Datenbeständen von Privatunternehmen erheben, speichern und verstärkt auf die erkennungsdienstliche Behandlung zurückgreifen dürfen. Für Ermittlungen ist der praktisch unregulierte Einsatz von Observationen auch mit Hilfe technischer Mittel vorgesehen. Dies beinhaltet die akustische und optische Überwachung der Betroffenen sowie den Einsatz von V-Leuten und verdeckten Ermittlern auch innerhalb von Wohnungen. Zu diesem Zwecke sollen Mitarbeiter des BKA auch Urkunden verändern und fälschen dürfen. Ebenso wird das Recht eingeräumt, die Anfertigung von Lichtbildern und Tonaufnahmen in Wohnungen Unbeteiligter vorzunehmen, sofern sich ein Betroffener dort aufhält. Betroffene würden von den Maßnahmen nur in Ausnahmefällen benachrichtigt.
Auch FDP-Vertreter kritisieren:
Kritik übte Piltz aber auch an den Regelungen, die laut Beck unstrittig seien. Würde der Entwurf Gesetz, wäre das BKA nicht wieder zu erkennen, so das Fazit der FDP-Innenexpertin. Während ganz Deutschland auf die Scharmützel um die Online-Durchsuchung starre, entstünde hinter den Kulissen „so etwas wie eine Superpolizei nach dem Vorbild des FBI, die im Kampf gegen den Terror fast alles darf“, kritisiert Piltz.
(Sorry für den relativ chaotischen Artikel. Aber das Thema erscheint mir wichtig und für eine sauberere Aufarbeitung fehlt grade die Zeit).