Der Wahlkampf tobt und spült zunehmend politische Prominenz auch nach Freiburg. Nach Wolfgang Thierse kam nun auch Bundesaußenminister Joschka Fischer nach Freiburg, um seine Wählerschaft zu mobilisieren.
Beginn der Veranstaltung war 19:00, aber erwartungsgemäß gab es zu dieser Zeit noch keine Spur von Joschka. Stattdessen versuchte erst eine halbe Stunde lang Florian Schroeder, ein Kabarettist, dem Publikum einzuheizen. So eine Show-Einlage könnte man schon als billigen Populismus bezeichnen. Dass der Komiker kaum lustig war, bösartige Witze über verstorbene Direktkandidaten riss und sich über Studentenproteste lustig machte, verbesserte diesen Eindruck nicht wirklich. Dem Publikum schien es allerdings überraschenderweise zu gefallen.
Die anschließende Rede der freiburger Direktkandidatin der Grünen, Kerstin Andreae dauerte angenehme 10 Minuten. Neben allgemeinen Themen bestätigte sie auch noch einmal, dass sie dazu aufruft, mit der Erststimme den Kandidaten der SPD, Gernot Erler (vgl. „Gernot und Wolfgang“), zu wählen.
Auch Freiburgs Oberbürgermeister Dieter Salomon kam kurz zu Wort, versprach aber sofort die Bühne zu räumen, sowie der Außenminister eintrifft. Sympathischerweise war er auch wie angekündigt innerhalb von Sekunden verschwunden, als ihm ein Mitarbeiter die Ankunft von Joschka Fischer signalisierte.
Um 20:10 begann also endlich der Auftritt des grünen Spitzenpolitikers. Unter Beifall und begleitet von drei Sicherheitsleuten – zahllose weitere waren im Saal verteilt – betrat er die Bühne.
Joschka Fischers Rede hatte große Ähnlichkeit mit der, die er kürzlich im Bundestag hielt, beinhaltete aber auch einige neue Punkte. Er verteidigte erneut die Notwendigkeit der Hartz-IV-Reformen, sagte aber auch, dass die Grünen von Anfang an gegen den Unterschied im Arbeitslosengeld II zwischen Ost/West waren und dass sie sich dafür einsetzen werden, diese schnellstmöglichst zu beseitigen. Auch der Heranziehung von Altersreserven stimmte er nicht zu.
„Ich sage wir müssen an unserer Freiheit festhalten“ meinte er im Bezug auf den Kampf gegen den Terrorismus. Es sei wichtig an den eigenen Werten festzuhalten, und sich nicht zu einem Hochsicherheitsstaat zu entwickeln – denn damit würde man Terroristen nur in die Hände spielen. Man könnte fast meinen, er wolle zur früheren pazifistischen Politik der Grünen zurückkehren, wenn er sagt: „Wir müssen begreifen […], dass Toleranz unsere stärkste Waffe ist.“ Die Verbesserung von Beziehungen zu muslimischen Ländern sei ein wichtiger Teil der Friedenspolitik und auch deswegen sei er für die Fortsetzung der Beitrittsverhandlungen mit der Türkei – aber ohne Zeitdruck
Insgesamt war Joschka Fischers Auftritt erwartungsgemäß professionell. Er redete sehr energiereich und mitreißend. Inhaltlich war seine Rede angenehm ausgewogen und bestand nicht nur aus reiner CDU-Hetze, sondern auch aus echten Argumenten. Unglücklicherweise ließ auch er sich zu einigen unnötigen und inhaltlich sehr dünnen Seitenhieben auf die Linkspartei verleiten. Überhaupt war die Abgrenzung zum neuen Linksbündnis nur sehr dürftig vorhanden und bestand im Wesentlichen aus der Rechtfertigung der Hartz-IV-Reformen.
Leider gab es für das Publikum anschließend keine Gelegenheit Fragen zu stellen. Auch eine Liste mit Fragen, die ein Teil der Freiburger Grünen zuvor gesammelt und dem Außenminister übermittelt hatten, fand in seiner Rede höchstens zufällige Beachtung. Dadurch, und durch die sicherheitstechnische Abschirmung, wurde keine wirkliche Verbundenheit mit dem Publikum vermittelt, was recht schade war.
Doch abgesehen von dem peinlichen Comedy-Vorspann und der Distanz zum Publikum war es eine gelungene Veranstaltung mit hohem Informationsgehalt. Joschka Fischer hat noch einmal eindrücklich darauf hingewiesen, dass Rot/Grün in der bisherigen Regierungszeit gute Arbeit geleistet hat, ohne dabei in plumpen Populismus zu verfallen. Er hat gezeigt, dass die Grünen sich zu einer bodenständigen aber nicht festgefahrenen Partei entwickelt haben, die nicht vom Idealismus verblendet ist.
Ich drücke Joschka Fischer jedenfalls die Daumen, dass seine schönen Auftritte seiner Partei am Sonntag auch die verdienten Stimmen einbringt.