Kaum etwas hat mir in den letzten Jahren so viel gebracht, wie Anki bzw. Spaced Repetition Learning. Anki ist mein Wundermittel, um mir fast alles merken zu können, was ich langfristig im Kopf behalten möchte.
Vor Anki hatte ich immer das Problem, dass ich zwar immer viel gelesen und gelernt habe, aber auch immens viel wieder vergessen habe. Vieles war nach einer Weile nur noch eine vage Erinnerung und schwer konkret abrufbar. Was waren die wichtigsten Erkenntnisse aus dem Buch, was ich letztes Jahr gelesen habe? Wie funktionierte diese Priorisierungstechnik? Puh…
Früher war ich auch weniger davon überzeugt, dass es sich lohnt, Dinge auswendig zu wissen. Schließlich kann man ja alles schnell nachschlagen. Inzwischen sehe ich das anders. Je mehr man im Kopf hat, desto eher fallen einem die richtigen Dinge zum richtigen Zeitpunkt an. Um wertvolle gedankliche Verbindungen herstellen zu können, müssen die entsprechenden Konzepte im Kopf sein. Und man kommt weder bei der Arbeit noch in Diskussionen gut voran, wenn man andauend nur am Nachschlagen ist.
Dank Anki kann ich nun einfach beschließen, etwas in mein Gedächtnis zu packen und es dann immer abrufbereit haben.
Spaced Repetition: Effizientes Lernen
Anki ist eines von vielen Programmen, die Lernen mithilfe von Spaced Repetition ermöglichen. Das funktioniert wie folgt: Man erstellt zuerst Lernkarten – im Wesentlichen wie man das früher mit Karteikarten gemacht hat. Eine Frage und eine Antwort. Frage: “Wofür steht ICE?” Antwort: “Impact, Confidence, Ease”
Der Trick ist nun, dass man nicht immer alle Karten durchgeht, sondern immer nur die, die gerade drohen, in Vergessenheit zu geraten. Eine Karte, die man supergut kennt, muss man nicht andauernd wiederholen. Neues Wissen hingegen sollte man häufiger wiederholen. Konkret sieht das so aus, dass die Abstände zwischen den Wiederholungen immer größer werden, je länger man die korrekte Antwort kannte. Eine frisch gelernte Karte wird direkt am nächsten Tag wiederholt. Dann drei Tage später, dann sieben Tage später und so weiter.
Die Abstände werden relativ schnell relativ lang. Nach wenigen Wiederholungen sind die Abstände bereits im Bereich von Monaten. Und dann im Bereich von Jahren. Ich habe vor ca. zwei Jahren begonnen, Anki intensiv zu nutzen und die Karten von damals sehe ich erst in 5 Jahren wieder. Falls man eine Karte vergessen hat, wird die Frequenz hingegen wieder erhöht.
Die Methode hat daher zwei wesentliche Vorteile: Zum einen lernt schnell, und zum anderen verbringt man auch nicht mehr Zeit als notwendig damit. Dinge, die man sich erfolgreich eingeprägt hat, nehmen praktisch keine Zeit mehr in Anspruch. Man selbst muss sich keine Gedanken darüber machen, wann man etwas auffrischen sollte. Das passiert alles automatisch.
Langfristig kann man so ein beeindruckendes Repertoire an Karten anlegen (und wissen!), ohne dass viel Zeit für Wiederholungen benötigt wird. Ich habe derzeit ca. 3500 Karten im Kopf. Vor Kurzem habe ich jemanden mit 8000 Karten getroffen (hallo Omar! 👋). In einschlägigen Foren liest man nicht selten von Leuten mit 5-stelligen Kartenzahlen. Und trotzdem reichen (bei länger bekannten Karten) ein paar Minuten Lernzeit pro Tag, um alles im Kopf zu behalten.
Wenn man Anki oder Ähnliches auf dem Smartphone hat, kann man das auch prima in Pausen tun, die man sonst mit Instagram & Co verdaddelt hätte. So spürt man den Lernaufwand praktisch kaum.
Nicht nur für Vokabeln & Co
Lernkarten kennt man vor allem von typischen Lernfeldern wie Vokabeln. Man kann sie aber für fast alles gut einsetzen. Ich verwende sie in allen Lebensbereichen. Hier ein paar Beispiele:
- Namen Ich habe seit diesem Jahr 145 neue Kollegen (👋). Eigentlich ist mein Namensgedächtnis eine Katastrophe, aber ich kenne den Namen von jedem, mit dem ich zumindest kurz zu tun hatte.
- Fachwissen Wie funktioniert die MoSCoW-Priorisierung? Was ist der Sean-Ellis-Test? Wofür nutzt man die HL7-Nachricht ADT A01?
- Erziehung Wie funktioniert Shaping? Sollte man Anstrengungen oder Fähigkeit loben? Viel Blinzeln ist ein Zeichen wofür? Was sind die zentralen Montessori-Werte? Wie entschärft man einen Tobsuchtsanfall?
- Dungeons and Dragons Was macht der Angriff “Pacifying Voice”? Was für eine Art (Standard/Minor/Free) Aktion ist ein Bluff-Check zum Verstecken?
- Und mehr Wann macht Annika Feierabend? Welche Nummer sollte man anrufen, falls der Firmenlaptop geklaut wird? Wie heißen die Kinder von Michael? Besser ein großer Erfolg oder viele kleine Erfolge?
Wann immer ich mir denke “das sollte ich mir merken”, mache ich eine Anki-Karte daraus.
Die richtigen Karten
Der Erfolg mit Anki steht und fällt mit den Karten. Man sollte sich zu Beginn ein wenig einlesen, wie man am besten Karten gestaltet. Die zwei wichtigsten Regeln sind:
- Einfach & kleinteilig halten
Je kleiner die Karten sind, desto einfacher sind sie zu wiederholen. Man sollte immer darauf optimieren, die einzelnen Wiederholungen so einfach und schnell wie möglich zu halten. Eine gut gemachte Karte braucht keine 2 Sekunden je Wiederholung. - Nur lernen, was man verstanden hat
Man sollte immer erst verstanden haben, was man lernen möchte. Informationen sollten an ein verstandenes Grundgerüst anknüpfen, sonst fällt das Lernen sehr schwer. Inselwissen bringt nicht nur wenig, es ist auch schwer zu merken.
Noch mehr Tipps gibt z.B. der Artikel “Effective learning: Twenty rules of formulating knowledge„. Der gehört zwar zum Kontext von SuperMemo, einem anderen Spaced-Repetition-Programm, lässt sich aber genauso auch auf Anki anwenden.
Mein bevorzugtes Werkzeug für Spaced Repetition: Anki
Anki ist ein kostenloses und quelloffenes Programm für Spaced Repetition. Es ist nicht unbedingt das hübscheste Programm, aber funktioniert hervorragend. Es gibt Versionen für alle großen Plattformen (Windows, Mac, iOS, Android, Linux) und man kann seinen Lernstatus zwischen den verschiedenen Programmen synchronisieren.
Ein typisches Vorgehen ist z.B. die Karten primär am Desktop zu erstellen, weil es dort am effizientesten geht, und dann auf dem Smartphone zu lernen, wenn es eine gute Gelegenheit gibt.
Zu Anki gibt es auch noch diverse Erweiterungen. Beispielsweise um besser grafische Informationen lernen zu können oder Listen zu lernen (was man aber eh tunlichst meiden sollte) oder Karten besser zu verwalten. Ich nutze aber keines davon.
Spaced Repetition für Kinder
Speziell für Kinder ist Anki nicht die ideale Software. Bei Kindern geht es nicht nur um reine Effizienz, sondern auch darum, die Motivation hochzuhalten. Ich habe Anki mit meinem vierjährigen Sohn ausprobiert und bin schnell an Grenzen gestoßen. Daher habe ich eine eigene Spaced-Repetition-Software entwickelt, die gezielt auf kleine Kinder ausgerichtet ist. Mit einem optimierten Algorithmus und zusätzlichen kindgerechten Funktionen wie z. B. automatisch generierten Geschichten zum Lerninhalt und einem Lernspiel.
Neugierig? Hier gibt es mehr Infos:
Habt Ihr eigene Methoden, Euren Kindern die Dinge beizubringen, die Euch wichtig sind? z.B. die eigene Adresse? Ich würde mich freuen, von Euch zu hören!