Leser von Heise.de und Golem.de werden es schon wissen, aber hier für alle anderen: Das Amtsgericht Offenburg hat beschlossen, bei dem in diesem Fall vorgelegten unlizensierten Tauschbörsen-Upload von zwei Musikstücken liege kein ausreichend schwerer Straftatbestand vor, um den Anschlussinhaber einer IP-Adresse zu ermitteln.
Das Gericht ging ausführlich darauf ein, warum es die vorgeworfenen Taten als Bagatelldelikte betrachtet. Es berücksichtigte auch, dass Nutzer häufig unabsichtlich Dateien in Tauschbörsen hochladen, da die verwendete Software dies automatisch tut.
Schön ist auch, dass das Gericht ausdrücklich der typischen Argumentation der Musikindustrie widersprach, wonach dieser pro Download X Euro verloren gehen:
Ganz allgemein scheidet schon aus Gründen der Logik ein tatsächlicher Schaden aus. Es mag sein, dass kommerzielle Anbieter von Musikdateien im Einzelfall einen Euro für das legale Herunterladen eines Stückes verlangen. Im vorliegenden Fall sind diese sogar für weniger als 10 Cent zu haben. Indes verhält es sich hier wie überall, wo der Markt regiert: Beim Preise 0 fragt auch derjenige ein Produkt nach, für das er sonst nicht mal einen Cent ausgeben würden. Selbst wenn also ein einzelner Download durch einen Dritten bekannt wäre, hieße das nicht, dass den Anzeigeerstattern auch nur ein legaler Käufer fehlen würde.
Zack! :)
Mindestens ebenso schön ist, dass das Gericht offenbar den massiven Missbrauch des Rechtssystems erkannt hat und dem entgegen wirken will. Seit 2005 werden automatisiert zehntausende Strafanzeigen bei verschiedenen Staatsanwaltschaften eingereicht, um so an die Adresse der Beschuldigten zu gelangen. Diese werden dann später zivilrechtlich Verklagt und mit hohen Schadensersatzforderungen konfrontiert. Die Staatsanwaltschaften sind über diese Überlastung nicht gerade glücklich (vgl. Heise.de).
Das Gericht meint dazu…
Die Anzeigeerstatter sehen sich zu diesem Umweg über das Strafrecht veranlasst, weil ihnen zivilrechtlich ein eigener Auskunftsanspruch gegen die Provider auf Offenlegung der Daten nicht zusteht. Mit der beschriebenen bundesweiten Anzeigekampagne, die den Strafverfolgungsbehörden mehrere 10.000 Strafverfahren beschert, streben die Anzeigeerstatter also Auskünfte an, die ihnen der Gesetzgeber bewusst versagt hat (vgl. statt aller OLG Hamburg, MMR 2005, 453 ff. mit weiteren Nachweisen).
… und kommt schließlich zu diesem schönen Ergebnis:
Die Abwägung der oben wiedergegebenen Gesichtspunkte führt im Ergebnis dazu, die von der Staatsanwaltschaft beantragte Ermittlungsmaßnahme wegen offensichtlicher Unverhältnismäßigkeit abzulehnen.
Wenigstens unsere Gerichte scheinen doch noch über gesunden Menschenverstand zu verfügen. :)
Den Volltext des Gerichtsbeschlusses (Aktenzeichen 4 Gs 442/07) gibt es übrigens – unter anderem – bei MIR (ganz unten).
Wenn jeder der eine handvoll illegal erworbener musikstücke auf seinem PC hat, anklagt, dann müssen wohl bald mehr Gerichte als Häuser her.